Alexander Samarin (1868 – 1932)

Für Sergej Fudel war Alexander Dmitriewitsch Samarin einer der „lebendigen Träger des Geistes des frühen Slawophilismus“, den Sergej als „Rückkehr zum reinen Christentum“ verstand, eine „helle, mutige und reine“ Bewegung zur „Umgestaltung ganz Russlands auf der Grundlage des Christentums“. Diesen Eindruck hinterließ er nicht nur bei Fudel. Den guten Ruf, den Samarin in kirchlichen Kreisen besaß, mag folgender Umstand beweisen: Als im Jahr 1917 die Notwendigkeit entstand, einen neuen Metropoliten von Moskau zu wählen, war Samarin einer von zwei Kandidaten – obwohl er weder Geistlicher noch Mönch war. Bei der Vorabstimmung erhielt er die gleiche Stimmenzahl wie Erzbischof Tichon, der künftige Patriarch von Moskau und ganz Russland. Sergej Fudel erinnert sich:

Ich erinnere mich noch an Samarin bei der Liturgie in der Mariä-Entschlafens-Kathedrale nach dem Diözesankongress, bei dem der zweite Kandidat für das Moskauer Metropolitenamt, Tichon, nur eine Mehrheit von wenigen Stimmen erhielt. Als wir uns dem Kreuz näherten, das der neue Metropolit in der Hand hielt, sah ich, wie er mit einem respektvollen Lächeln der Begrüßung auf den sich nähernden Alexander Dmitrijewitsch zuging.

Die Biographie von A. Samarin kann auf viele herausragende Ereignisse zurückblicken: Er war 1915 Ober-Prokurator des Heiligsten Synods, nahm von 1917 bis 1918 an der Arbeit des Allrussischen Lokalkonzils teil und wurde nach 1918 wiederholt verhaftet, inhaftiert und verbannt. Im Jahr 1920 wurde er zum Tode verurteilt, das Urteil wurde jedoch in eine willkürliche Gefängnisstrafe „bis zum endgültigen Sieg des Weltproletariats über den Weltimperialismus“ umgewandelt.

A. Samarin und das Lokalkonzil von 1917–1918

Nach der Abdankung von Zar Nikolaus II. Anfang März 1917 wurde V. N. L’vov von der provisorischen Regierung zum Ober-Prokurator des Heiligsten Synods ernannt. Seine kurze Tätigkeit in diesem Amt war widersprüchlich: Einerseits unterstützte er die Einberufung des Lokalkonzils und allgemein den Ansatz der Wählbarkeit der Delegierten, andererseits handelte er ohne jeglichen Respekt für die Kanones der Kirche, vielmehr ganz in der Tradition ihrer Unterordnung unter die staatliche Hoheit. So erschien er mit seinen Wachen in den Gemächern des Metropoliten Makarij (Newskij) und zwang ihn durch Drohungen, ein Ruhestandsgesuch zu schreiben. Bei der Sitzung vom 9. bis 13. März erachtete der Synod L’vovs Vorgehen jedoch als unkanonisch und illegal und lehnte das Gesuch ab. Als Reaktion hierauf erreichte der Oberprokurator am nächsten Tag, dass die provisorische Regierung ein Dekret erließ, in dem alle Mitglieder des Synods mit Ausnahme des Erzbischofs von Finnland, Sergius (Stragorodskij), suspendierte und neue Mitglieder ernannte. Der Synod in seiner neuen Zusammensetzung entließ am 20. April gehorsam den Metropoliten Makarij in den Ruhestand Dadurch wurde der Moskauer Bischofssitz vakant.

Die Tochter von A. Samarin erinnert sich:

Nachdem zunächst die Vorbereitungen zur Bestimmung der Kandidaten abgeschlossen waren, wurde in der vorbereitenden Sitzung des Rates beschlossen, Wahlen zum Moskauer Metropoliten anzusetzen. Wie das geschah, weiß ich nicht und erinnere mich auch nicht, aber plötzlich stellte sich heraus, dass einer der beiden vorgesehenen Kandidaten Erzbischof Tichon von Jaroslawl war, der zweite aber kein Bischof oder wenigstens Priester, sondern ein Laie – Alexander Samarin. Die Wahl wurde von Moskau und dem Moskauer Bistum getroffen. Es stellte sich heraus, dass mein Vater unter den Orthodoxen sehr beliebt war.

Obwohl der spätere Patriarch Tichon (Belavin) in der Schlussabstimmung mehr Stimmen erhielt, zeugte die Tatsache der Nominierung von A. Samarin, und dass er eine beträchtliche Stimmenzahl (303 Stimmen gegenüber 481 Stimmen für Erzbischof Tichon; bei der Vorabstimmung erhielten er und Erzbischof Tichon die gleiche Stimmenzahl) von dem Vertrauen in ihn persönlich und in die kirchlichen Ansichten, die er vertrat.

Samarin war Mitglied der Bruderschaft im Namen der Heiligen Bischöfe von Moskau, zu der auch Erzpriester Josif Fudel, M. A. Nowoselow, S. N. Durylin und viele andere aus dem Moskauer Bekanntenkreis Sergej Fudels gehörten; der ältere Bruder Samarins, Fjodor Dmitrijewitsch Samarin, war der erste Vorsitzende des Rates der Bruderschaft. Erzpriester Josif Fudel, der Alexander Samarin gut kannte, bemerkte bei ihm „ein klares Bewusstsein für die Aufgaben der kirchlichen Moderne, jenen Eifer für kirchliche Angelegenheiten, der jeder Politik fremd ist, der in der russischen Hierarchie so selten und in der russischen Kirche so notwendig ist.“

Der Gesprächskreis, der sich um M. Nowoselow gebildet hatte und schließlich der Bruderschaft beitrat, beeinflusste A. Samarin; er war der Sprecher für dessen Ideen, und das Vertrauen, das Samarin entgegengebracht wurde, ging auf diese Ideen über. Vielleicht sahen daher die Mitglieder der Bruderschaft in Samarin die Person, die die Ideen der Bruderschaft und der Slawophilen einem größeren Kreis von Menschen innerhalb der Kirche vermitteln konnte.

Repressionen nach der Revolution von 1917

Nach 1918 wurde Samarin wiederholt verhaftet und inhaftiert (1920 wurde er zum Tode verurteilt, das Urteil anschließend umgewandelt in eine Gefängnisstrafe unbestimmter Dauer „bis zum endgültigen Sieg des Weltproletariats über den Weltimperialismus“). Anschließend wurde er verbannt. Sein Kreuzweg wird ausführlich in den Erinnerungen seiner Tochter Elisaweta Samarina-Tschernyschewa beschrieben, die ständig an seiner Seite war und ihm in die Verbannung nach Jakutien (1926–1929) folgte. Nach Erhalt eines „administrativen Minus“ (dem Verbot, in größeren Städten zu wohnen) ließ sich Samarin in Kostroma nieder (1929–1932) und wurde dort kurz vor seinem Tod noch einmal für kurze Zeit verhaftet. Nach dieser Verhaftung zog seine Tochter bei ihm ein und verbrachte die letzten Monate mit ihm.

Samarin mit seiner Tochter Elisaweta im Exil. 1927, Jakutien.
Quelle: Chernysheva-Samarina E. A.: Alexander Dmitrijewitsch Samarin, in: Die Samarins. Die Mansurows. Erinnerungen von Verwandten (Moskau 2001).


Quelle: https://fudel.ru/personalia/samarin-aleksandr-dmitrievich/

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